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EU-Regulierung: Ratingagenturen sehen ihr Geschäftsmodell in Gefahr
Die Ratingagentur Moody’s wehrt sich gegen die Zügel, die die Europäische Kommission ihr und der Branche anlegen will. In einem Brief an den polnischen Finanzminister Jan Vincent-Rostowski, den amtierenden Vorsitzenden des Rats der europäischen Finanzminister, warnt Moody’s vor gravierenden Folgen der geplanten Regulierung.
Wenn die Maßnahmen so in Kraft träten wie geplant, „werden sie den Zugang europäischer Länder und Unternehmen zum Kapitalmarkt zum Erliegen bringen“ und außerdem „die Volatilität auf den europäischen Kreditmärkten erhöhen“, heißt es in dem Schreiben, das auf den vergangenen Montag datiert ist.
Dass das Schreiben an die polnische Ratspräsidentschaft geht, zeigt: Die Atmosphäre zwischen der Kommission, die zu diesem Zeitpunkt das Heft in der Hand hat, und den Ratingagenturen ist empfindlich gestört.
„Wir haben den Brief an den Rat der Finanzminister vor allem geschrieben, weil die Qualität des Dialogs mit der Kommission dürftig ist“, sagte Moody’s-Europachef Frederic Drevon "Welt Online" Gemeint ist der zuständige Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Sein Entwurf ist noch gar nicht offiziell veröffentlicht, hat die Branche in seiner Schärfe aber schon überrascht. Moody’s will nun nicht bis zur Präsentation warten und begehrt stattdessen gegen eine vertrauliche Vorabversion auf, die "Welt Online" ebenfalls vorliegt.
Moody's informiert EU-Finanzminister
Drevon sieht gewichtige Argumente für das Pressing: „Manche der Maßnahmen würden den Ratingagenturen die Möglichkeit rauben, ihre eigene Meinung zu sagen.“ Zwar hat Moody’s den Brief alleine geschrieben, Ängste und Ärger aber teilt die ganze Branche – und die Verwunderung, dass ein erst zwei Jahre altes EU-Gesetz nun wieder geändert werden soll. Barnier aber sagte: „Unsere erste Regulierung ging nicht weit genug.“
Auch Barnier bekam den Brief auf seinen Schreibtisch. Unterzeichnet von Moody’s-Präsident Michel Madelain, ist er – in Kopie – adressiert an alle europäischen Finanzminister, an die zuständigen Mitglieder der EU-Kommission und den Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Rostowskis Sprecherin bestätigte, der Minister habe das Schreiben am 2. November erhalten. Eine Antwort hat Moody’s noch nicht bekommen. Wer sind Ratingagenturen?
Ratingagenturen sind nach Gewinn strebende Privatunternehmen. Sie verdienen ihr Geld damit, dass sie die Sicherheit von Wertpapieren sowie die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten analysieren und benoten. Wie funktioniert die Bewertung?
Verteilt werden Noten (Ratings), die von AAA oder Aaa (sichere Anlage) bis D (zahlungsunfähig) reichen. Privatanleger, Kreditinstitute und Versicherungen entscheiden anhand dieser Noten, ob sie den Ländern oder Firmen Geld leihen oder ihre Anleihen abstoßen. Wer bezahlt für die Noten?
Geld bekommen die Bonitätsprüfer nicht etwa von einem Anleger, der sich für die Aussichten eines Wertpapiers interessiert, sondern von dem Emittent neuer Wertpapiere. Woher rührt die Macht der Ratingagenturen?
Weltweit gibt es rund 150 Ratingagenturen. Aber viele von ihnen sind nur regional oder für bestimmte Branchen von Bedeutung. Rund 90 Prozent des Marktes teilen die drei US-Firmen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch unter sich auf. Warum sind die Benotungen nicht nur für private Anleger von Bedeutung?
Ratingagenturen sind zwar keine offiziellen Aufsichtsbehörden, sie erfüllen aber inzwischen im Prinzip diese Rolle. Seit etwa den 30er Jahren wurden in den USA ihre Noten immer verbindlicher für Geschäfte am Finanzmarkt. Warum stehen Ratingagenturen so in der Kritik?
Kritiker werfen den Ratingagenturen vor, dass die Kriterien für ihre Bewertungen nicht transparent sind und sie allen Hilfsbemühungen der Eurozone zum Trotz die Aussichten für Schuldenländer zu düster zeichnen. Welche Schritte wurden unternommen, um die Macht der Ratingagenturen zu beschneiden?
Die EU hat eine neue Marktaufsichtsbehörde geschaffen, die Ratingagenturen überwachen soll. Die ESMA (European Securities and Markets Authority) ist in Paris angesiedelt und nahm ihre Arbeit zu Jahresbeginn auf. Quelle: AFP
Der Aufschrei ist aus Sicht der drei großen Ratingagenturen – Standard & Poor’s, Fitch und eben Moody’s – verständlich. Die Regeln, die Barnier in der kommenden Woche vorstellen soll, laufen auf eine empfindliche Schwächung ihres Geschäftsmodells hinaus. Sollte sich der Kommissar durchsetzen, droht den Bonitätswächtern der Verlust von Aufträgen und Umsatz im großen Stil.
Moody’s kritisiert drei brisante Punkte. Zum einen will die Kommission der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA Kontrolle über die Methodologie der Ratings geben. Die Agenturen müssten der ESMA ihre Bewertungskriterien melden und auf Zustimmung hoffen.
Barniers Ziel ist es, einen einheitlichen Kriterienkatalog für alle Agenturen zu schaffen. Dass die unterschiedlichen Analyseansätze damit nivelliert würden, ist gewollt – und stößt den Agenturen sauer auf. „Ein Kernwert der Ratingagenturen ist ihre Unabhängigkeit“, sagte Drevon. Moody’s kritisiert, wenn die ESMA die Ratingkriterien festlege, werde sie selbst zum Anbieter: Die Berichte der Agenturen würden „als Ratings der ESMA wahrgenommen (und tatsächlich wären sie wohl welche)“, heißt es in dem Brief.
Ratings haben gravierende Auswirkungen
Hinter Barniers Initiative steht Misstrauen gegen die drei großen Anbieter. Ihre Berichte dienen Akteuren auf den Finanzmärkten dazu, einzuschätzen, wie riskant Kredite an Länder oder Unternehmen sind.
Ein Beispiel: Am Freitag senkte Moody’s die Kreditwürdigkeit Zyperns um zwei Stufen auf knapp über „Ramsch“-Niveau. Das lässt die Zinsen steigen, zu denen sich das Land Geld leihen kann – was aufs nächste Rating drückt. In den vergangenen Monaten sahen sich die Ratingagenturen heftiger Kritik ausgesetzt, ihre Bewertungen seien zu scharf – „inkorrekt“, wie es in dem Kommissionsentwurf heißt. Er will die EU-Länder verpflichten, es Anlegern zu ermöglichen, Schadenersatz wegen solch „falscher“ Ratings einzuklagen.
Der Kommissar sieht – zweitens – Interessenkonflikte, die im Geschäftsmodell der drei großen Agenturen begründet seien. Es besteht darin, die Emittenten etwa von Staats- oder Unternehmensanleihen in deren Auftrag und auf deren Kosten zu prüfen. Barnier befürchtet deswegen Gefälligkeitsratings. Er favorisiert ein Modell, in dem die Investoren für das Rating bezahlen.
Die guten Stufen: Aaa bis A3 (sieben Stufen)
Die mittleren Stufen: Baa1 bis B3 (neun Stufen)
Die schlechten Stufen: Caa1 bis C (fünf Stufen)
Die guten Stufen: AAA bis A- (sieben Stufen)
Die mittleren Stufen: BBB+ bis B- (neun Stufen)
Die schlechten Stufen: CCC+ bis C (fünf Stufen)
Zahlungsausfall: Stufe D
Die guten Stufen: AAA bis A- (sieben Stufen)
Die mittleren Stufen: BBB+ bis B- (neun Stufen)
Die schlechten Stufe: CCC
Zahlungsausfall: Stufe D
Eine Rotationspflicht soll Abhilfe schaffen. Sie könne „Interessenkonflikte signifikant mindern“, heißt es im Entwurf: Nur noch drei Jahre hintereinander, in speziellen Fällen auch nur ein Jahr lang, sollen Staaten oder Unternehmen eine Agentur beauftragen dürfen. Danach gilt eine bis zu vierjährige „Abkühlungszeit“. Damit nehme die EU den Investoren eines der wichtigsten Mittel: nämlich Ratings eines Anbieters über mehrere Jahre hin zu verfolgen und zu vergleichen, klagt Moody’s. „Diese Maßnahmen missverstehen die Art, wie Investoren Ratingagenturen nutzen“, sagte Drevon.
Ein dritter Punkt hatte nach Bekanntwerden erster Details des Kommissionsentwurfs für die größte Verwunderung gesorgt: Barnier will unter bestimmten Umständen, etwa wenn ein Land Finanzhilfe von der EU erhält, die Veröffentlichung von Ratings des Landes aussetzen.
„Die pure Ankündigung einer Aussetzung wird das Vertrauen reduzieren und Volatilität schaffen. Das ist eine kontraproduktive Maßnahme“, sagte Drevon. Brancheninsider halten nach Informationen von "Welt Online" diese Regel für so absurd, dass viele davon ausgehen, sie werde sich bald erledigt haben.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (07.11.2011)
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