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Griechenland-Krise: Europäische Zentralbank verteidigt ihren Stolz
Damit auch völlig klar war, an wen der Brief vorrangig gehen sollte, stand der Name von Jean-Claude Trichet ganz oben im Briefkopf. Das Schreiben, welches das Bundesfinanzministerium am Dienstag an die Europäische Zentralbank (EZB) und die europäischen Regierungen verschickte, hatte es in sich: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte darin eine Umschuldung Griechenlands unter Beteiligung der Geschäftsbanken.
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In der EZB dürfte man das Schreiben mit Entsetzen zur Kenntnis genommen haben. Den seit Wochen schwelenden Konflikt zwischen der Politik und der Notenbank hat Schäuble damit auf eine neue Spitze getrieben. Die Politik ist für, die EZB strikt gegen eine Umschuldung Griechenlands.
Auf der EZB-Ratssitzung dürfte es deshalb hoch hergehen. Die Ankündigung einer Zinserhöhung für Juli, mit der alle Beobachter rechnen, gerät dabei schon fast in den Hintergrund. Die Gretchenfrage, über die die Notenbanker diskutieren werden, lautet vielmehr: Was sollen sie tun, wenn die Politik auf eine Umschuldung Griechenlands besteht? Die Debatte hält Europa seit Wochen in Atem. Für Holger Schmieding, den Chefvolkswirt der Berenberg Bank, ist der Streit eine „größere Gefahr für die Eurozone als ein Zahlungsausfall Griechenlands“. Auf breiter Linie macht die EZB Front gegen eine Umstrukturierung der griechischen Schulden. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark nannte eine Umschuldung ein „Rezept für eine Katastrophe“, Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi die Idee ein „Märchen“. Die Notenbanker fürchten einen Flächenbrand. Wenn Griechenland umschuldet, gebe es kein Halten mehr, andere Länder würden folgen.
Das europäische Bankensystem könnte ins Wanken geraten. Griechenland könnte sein Sparprogramm auf die lange Bank schieben. Vor allem aber wollen die Notenbanker endlich eine Grenze ziehen: Ein Jahr lang haben sie der Politik den Rücken freigehalten, argumentieren sie. Sie haben den Sündenfall gewagt und seit Mai 2010 Staatsanleihen kriselnder Eurostaaten aufgekauft, um ihre Finanzierung sicherzustellen. Sie haben die Refinanzierungsbedingungen für griechische Banken gelockert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat im Mai 2011 ihre Wirtschaftsprognose vorgelegt. Diese Entwicklung sagt die OECD für ausgewählte Länder voraus... Deutschland BIP-Wachstum 2011: 3,4 Prozent2012: 2,5 Prozent FrankreichBIP-Wachstum 2011: 2,2 Prozent2012: 2,1Prozent GroßbritannienBIP-Wachstum 2011: 1,4 Prozent2012: 1,8 Prozent ItalienBIP-Wachstum 2011: 1,1 Prozent2012: 1,6 Prozent JapanBIP-Wachstum 2011: - 0,9 Prozent2012: 2,2 Prozent KanadaBIP-Wachstum 2011: 3,0 Prozent2012: 2,8 Prozent USA BIP-Wachstum 2011: 2,6 Prozent2012: 3,1 Prozent Euro-ZoneBIP-Wachstum 2011: 2,0 Prozent2012: 2,0 Prozent OECD-GesamtBIP-Wachstum 2011: 2,3 Prozent2012: 2,8 Prozent Quelle: OECD, Stand: Mai 2011 Wenn nun die Anleihen umgeschuldet würden, müsste die EZB die Papiere eines Pleitestaates als Sicherheiten akzeptieren, damit sich griechische Banken weiter bei ihr refinanzieren können. Diesen Schritt wollen die Währungshüter nicht mehr mitgehen. Sie drohen damit, die Staatsanleihen im Falle einer Umschuldung nicht mehr als Sicherheiten für die Ausgabe von frischem Geld zu akzeptieren. Dann aber wäre Griechenlands Bankensystem pleite – und damit das Land selbst.
Die Regierung in Berlin aber befürchtet, dass sie ohne eine private Beteiligung kein weiteres Rettungsprogramm mehr durch das Parlament bekommt. So verhärtet waren die Fronten zwischen Politik und Notenbank noch nie seit Gründung der EZB.
Am Montagabend signalisierte EZB-Präsident Trichet erstmals Zustimmung für eine Beteiligung privater Gläubiger. Die Lösung könnte so aussehen: Gläubiger müssten sich darauf einigen, die von ihnen gehaltenen Staatsanleihen in neue Papiere umzutauschen. Da diese eine längere Laufzeit hätten als die im Umlauf befindlichen Papiere, käme dies einem Zahlungsaufschub für Griechenland gleich. Allerdings ist auch die EZB einer der größten Gläubiger Griechenlands. Und aus Notenbankkreisen ist zu hören, dass die EZB keinesfalls bereit sei, selbst bei einer Laufzeitverlängerung mitzumachen. Außerdem knüpft die EZB eine freiwillige Umschuldung an zwei weitere Bedingungen: Es dürfen keine Zahlungsverpflichtungen aus Kreditausfall-Versicherungen fällig werden. Außerdem ist zu vermeiden, dass die Ratingagenturen einen „teilweisen Zahlungsausfall“ Griechenlands feststellen. Ob Moody’s, Fitch und Standard & Poor’s das tun werden, ist aber unklar. Hinter den Kulissen werde eifrig an einer Lösung gearbeitet.
Im Vergleich zu den großen Problemen rund um Griechenland sind die geldpolitischen Entscheidungen auf der heutigen Ratssitzung fast schon Nebensache. Die EZB hat in den vergangenen Wochen klare Hinweise gegeben, welchen Kurs sie in den kommenden Monaten einschlagen will. Experten rechnen fest damit, dass Trichet in seiner Erklärung das Signalwort „große Wachsamkeit“ verwenden wird.
Das Codewort kündigt eine Zinserhöhung für den folgenden Monat an. Im Juli würde die EZB dann den Zins von 1,25 auf 1,5 Prozent anheben. Die EZB will mit den Erhöhungen eine mögliche ausufernde Inflation bekämpfen. Zwar ist die Inflationsrate zuletzt leicht von 2,8 auf 2,7 Prozent gesunken. Auch sind auf den Finanzmärkten die Inflationserwartungen zurückgegangen, weil der Ölpreis gefallen ist. „Aus den aktuellen Daten lässt sich eine Zinserhöhung zwar nicht unbedingt ableiten“, sagt Stefan Schilbe von HSBC Trinkhaus. „Allerdings es gibt dennoch gute Gründe, den Leitzins anzuheben.“
So liegt die Teuerungsrate weiterhin über der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent. Außerdem ist die Wirtschaft in der Eurozone zuletzt stärker gewachsen als erwartet. Und schließlich liegt der Leitzins noch immer auf Krisenniveau. Die Währungshüter haben mehrfach erklärt, die Geldpolitik mit fortschreitender wirtschaftlicher Erholung normalisieren zu wollen.
Das gilt allerdings noch nicht für den Bankensektor. So dürfte die EZB auch im nächsten Quartal die Finanzhäuser mit so viel Geld versorgen, wie sie es sich wünschen. Die Rückkehr zum Bieterverfahren wird sie aufschieben müssen.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (09.06.2011)
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