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One World Trade Center: Amerikas Mittelfinger Richtung Terrorristen
Wir können uns viele Metaphern für Ground Zero einfallen lassen: Die Wunde in Manhattan, die langsam vernarbt; der Fleck, wo sich am 11. September mit zwei Donnerschlägen das gnadenlose 20. Jahrhundert zurückgemeldet hat; der Friedhof, der keiner sein will.
Wir können aber auch ohne alle Poesie einfach sagen: der Ort des Verbrechens, eine gigantische Baustelle. Es ist für den Spaziergänger schwer, in ihre Nähe zu kommen. Wir steigen an der Wall Street aus der U-Bahn, wenden uns nach Westen und stehen in der Church Street vor einem großen Bauzaun; nur an einer Stelle kann man ein wenig durch die Lücken schauen.
Staunen und schauen
Die Church Street entlang, dann in die Vesey Street einbiegen, an der Station des „Path“-Zuges vorbei, mit dem die Pendler hinüber nach New Jersey fahren – über den Köpfen wächst künstlich etwas in den Himmel über der Stadt. Der Umriss ist deutlich zu erkennen, und er ist auch schon ziemlich hoch. Den besten Blick auf das ganze Ensemble aber erhält zum Lohn, wer der Vesey Street immer weiter Richtung Hudson folgt und in einem der Gebäude am Flussufer die Rolltreppe in den ersten Stock nimmt. Nach hinten bis zur großen Fensterfront durchgehen, staunen und schauen.
Was sieht man von dieser kleinen Anhöhe aus? Die Wipfel von Bäumen, die gerade jetzt am Ort des Schreckens eingesetzt werden. 400 sollen es am Ende sein, sie werden eigens aus dem Bundesstaat New York, aus Pennsylvania und aus der Hauptstadt Washington herangekarrt – den drei Plätzen also, wo am 11. September die Flugzeuge einschlugen.
Man erkennt auch schon deutlich die beiden Vierecke, die gemeinsam das eigentliche Denkmal für die Zwillingstürme bilden werden. Michael Arad, der Architekt, hat sich etwas herzzerreißend Einfaches ausgedacht: Sein Denkmal bildet exakt den Umriss der Türme ab, aber nicht als Erhebung, sondern als viereckige Vertiefungen in den Boden hinein. Anwesenheit durch Abwesenheit; Erinnerung, dass einmal etwas da war, das uns jetzt fehlt.
Über die abgerundeten Kanten wird vom Gedenktag dieses Jahres an Wasser in die Tiefe stürzen, das sich am Beckengrund sammelt und dann noch einmal tiefer stürzt. Ringsum sind auf Bronzeplatten die Namen aller Opfer der islamistischen Terroristen eingelassen – nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern um jeweils den Ort anzudeuten, wo dieser eine, einmalige Mensch sich im Moment seines Todes gerade befand.
Schon die Idee ist berührend; die Ausführung wird wohl manchen Besucher überwältigen. Ein unterirdisches Museum wird Relikte des Massakers beherbergen: zerborstene Computerkonsolen, zur Unkenntlichkeit verformte Bürostühle, in sich verdrehte Fahrräder.
Sollte man überhaupt neu bauen?
Und der neue Wolkenkratzer, der daneben gebaut wird? Seine Entstehung ist bekanntlich von Kontroversen begleitet gewesen: Soll man ihn überhaupt bauen – und taugt der Entwurf etwas, den Daniel Libeskind geliefert hat?
Man kann höflich sein und behaupten, sein Plan sei ein wenig modifiziert worden. Man kann aber auch der Wahrheit die Ehre geben und sagen: Vom Entwurf Libeskinds ist (zum Glück) rein gar nichts übrig geblieben. David Childs heißt vielmehr der Architekt, der das Gebäude mit der Adresse „1 World Trade Center“ entworfen hat – ein Name, den man sich merken muss. Der Wolkenkratzer von Childs wird nicht nur der höchste in Amerika, er wird überhaupt ein Weltwunder sein.
Wieder ist die Grundidee sehr einfach: ein Viereck, das zu einem Oktaeder wird, der sich nach oben hin verjüngt und endlich wieder – allerdings um ein Viertel gedreht – zur Vierecksform zurückfindet. Das fertige Ding wird mit Glasplatten verkleidet sein; es wird nachts von innen her leuchten und bei Tag das Sonnenlicht reflektieren; es wird ein gigantischer geschliffener Diamant sein, der in den Himmel hineinsticht.
Dabei birgt das Gebäude, das Childs entworfen hat, ein Geheimnis: Es ist in seinem Kern ein Bunker. Das Fundament, auf dem der Turm ruht, ist so stark, dass es ein paar Autobomben locker aushält; und darüber wird das Gebäude einen inneren Kubus verbergen, der nicht etwa aus Stahl, sondern aus einem speziellen und sehr harten Beton besteht. Stahl kann schmelzen, wenn er extrem hohen Temperaturen ausgesetzt ist – das haben wir am 11. September schmerzhaft gelernt. Beton schmilzt nie.
Und dieser Betonkubus wird Aufzüge und breite Fluchttreppen in seinem Inneren bergen und schützen: Nie wieder soll geschehen, dass Menschen bei einem Terroranschlag den Weg nach draußen, ins Freie, nicht mehr finden. Die Treppen werden unter Druckluft stehen, sodass sie sich nicht mit Rauch füllen können.
Nach dem Massenmord vom 11. September schrieb der deutsche Dichter Botho Strauß, die beiden gefällten Zwillingstürme seien so etwas wie „die Schwurfinger des Geldes“ gewesen, womit er womöglich andeuten wollte: den Opfern sei recht geschehen.
Mit allem Respekt, den solche poetischen Vergleiche heischen: Der großartige, funkelnde, rundum stabile Wolkenkratzer, der sich neben dem Denkmal für die Ermordeten in die Höhe reckt – das ist der Mittelfinger, den Amerika den Terroristen und ihren Sympathisanten zeigt.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (10.09.2011)
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