Statistik |
Insgesamt online: 1 Gäste: 1 Benutzer: 0 |
|
Panik in der CSU: Seehofer für raschen Ausstieg – Partei wehrt sich
Es ist ein ziemlich vielstimmiges Ensemble, das sich zur CSU-Vorstandssitzung in München versammelt hat. Die einen halten es mit der Bundeskanzlerin und geben den Ereignissen in Japan die Schuld am Machtverlust in Baden-Württemberg, die anderen zeigen auf die FDP, wieder andere sehen die Bundesregierung in der hauptsächlichen Verantwortung.
Aus allen Äußerungen spricht große Sorge. Das System im Süden der Republik mit zwei christlichen Parteien, die sich als Staatsparteien verstanden, ist endgültig Geschichte.
Die CSU steht in Umfragen bei 46 Prozent, kratzte allerdings vor Jahresfrist schon einmal an der 40-Prozentmarke. Die CDU im Nachbarland hat mit 39 Prozent die Macht verloren. Ein Menetekel. Derzeit liegen Grüne und SPD in Bayern bei je 17 Prozent. Doch nichts scheint mehr unmöglich.
Seehofer will die verbleibenden Jahre bis zu Wahl 2013 nutzen, sich des Verliererthemas Kernenergie zu entledigen. "Die Energiewende muss jetzt in den nächsten Wochen auf die Beine gestellt werden“, mahnte er.
Nichts sei so überzeugend, wie das ganz praktische Tun. "Deshalb drücke ich so aufs Tempo.“ Umweltminister Markus Söder fügte hinzu: "Die Bürger wollen die Kernenergie nicht mehr“.
Seehofer hat sich in der Union an die Spitze der Befürworter des schnellen Ausstiegs gestellt. Doch seine Partei wehrt sich. Sprachrohr der Atomfreunde ist der Ex-Vorsitzende Erwin Huber. "Man hat durch ein chaotisches Krisenmanagement in den letzten 14 Tagen einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass Baden-Württemberg verloren gegangen ist“, sagte er vor der Sitzung.
"Ich glaube, dass überstürztes, wahltaktisch orientiertes Handeln in der Tat die eigenen Anhänger irritiert hat.“ Ähnliche Positionen vertraten Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion und Innenminister Joachim Herrmann. Kann man ein Gesetz per Moratorium aussetzen? Nein. Angela Merkel hat den Bürgern eine Macht vorgegaukelt, die sie nicht hat. „Unser Grundgesetz kennt kein Moratorium. Und es gilt für alle staatlichen Gewalten. Wenn ein Gesetz in Kraft ist, kann es weder von der Kanzlerin noch von der Bundesregierung ausgesetzt werden", sagte Ulrich Schellenberg, Präsident des Berliner Anwaltsvereins. Die Änderung des Gesetzes, in dem die Laufzeitverlängerung festgeschrieben ist, ist seit dem 1. Januar in Kraft. Dabei bleibt es, bis das Parlament das Gesetz ändert oder aufhebt. Bis dahin kann sich die Kanzlerin nur um eine „privatrechtliche Vereinbarung" (Schellenberg) mit den Betreibern bemühen – Merkel ist also auf die Konzerne angewiesen. Die Abschaltung der AKW steht rechtlich auch auf wackligen Beinen. Laut Umweltminister Norbert Röttgen erfolgte sie auf Grundlage von Paragraf 19, Absatz 3, Ziffer 3 Atomgesetz. Der setzt voraus, dass durch die Ereignisse in Japan auch in Deutschland ein Zustand herrscht, bei dem sich „Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können". Die Atomaufsicht muss das nun nachweisen. RWE hat bereits erklärt, seine Werke arbeiteten "auf absolut höchstem Sicherheitsniveau". Man sehe deshalb keine Veranlassung, die Laufzeitverlängerung grundsätzlich in Frage zu stellen. Welche neuen Sicherheits-Untersuchungen sind geplant? Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat angekündigt, dass die Atomkraftwerke auf Gefährdungen "durch externe Ereignisse" hin untersucht werden sollen, wobei er Erdbeben und Flugzeugabstürze nannte. Demnach geht es vor allem um das von außen kommende "Restrisiko". Ob auch die Anforderungen an den laufenden Betrieb und an die Sicherheitsarchitektur erhöht werden sollen, ist unklar. Dies hängt davon ab, ob ein neues kerntechnisches Regelwerk angewandt wird, das die Vorschriften für den Bau und den Betrieb enthält. Das derzeit gültige Regelwerk stammt noch aus den 80er-Jahren. Ein neues liegt vor, trat aber nie in Kraft, weil es weder von der großen Koalition noch von der schwarz-gelben Regierung im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Das neue Regelwerk schreibt eine "Schadensvorsorge nach dem Stand von Wissenschaft und Technik" vor und würde in vielen AKWs Umbauten erfordern. Was passiert mit der Brennelementesteuer? Seit Anfang des Jahres müssen die Kraftwerksbetreiber in Deutschland eine Steuer auf atomare Brennelemente zahlen. Sie soll einen Teil der milliardenschweren Gewinne abschöpfen, die der Energiewirtschaft durch die längeren AKW-Laufzeiten winken. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat jährlich Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro eingeplant. Noch gibt man sich im Finanzministerium unbeirrt: Die Abgabe sei eine Kompensation für Lasten, die bisher die Steuerzahler vorfinanziert hätten, etwa für die Lagerung der radioaktiven Abfälle. Daran habe sich nichts geändert. Tatsächlich ist die Steuer nicht direkt an die längeren Laufzeiten gebunden. Trotzdem muss sich Schäuble wegen den Stilllegungen der Kraftwerke auf weniger Einnahmen einstellen, da sich die Menge der verwendeten Brennelemente reduziert. Wird der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt? Schon jetzt liefern Sonne, Wind, Wasser und Biomasse rund 17 Prozent des Stroms in Deutschland. Christian Hey vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) rät, jetzt Ruhe in die Förderung der erneuerbaren Energien zu bringen. In einem zweiten Schritt sei es wichtig, den Ausbau der Stromnetze sorgfältig zu planen. Hey empfiehlt, eine enge Kooperation mit Norwegen anzustreben. Überschüssiger Strom aus Wind und Sonne könnte dort mit Hilfe von Pumpspeicherkraftwerken zwischengelagert und je nach dem aktuellen Bedarf nach Deutschland zurückgeleitet werden. Energiepflanzen sollten vorrangig zur Produktion von Biogas verwendet werden, das zur Stromgewinnung oder zum Antrieb von Elektroautos genutzt werden kann. Steigt der Strompreis? Durch die AKW-Stilllegungen dürfte sich der Preis pro Megawattstunde an der Strombörse um etwa 20 Prozent auf rund 63 Euro verteuern, schätzen Experten. Tatsächlich reagierten die Notierungen an der Leipziger Energiebörse unmittelbar nach Ankündigung des Moratoriums mit einem Preissprung um rund zehn Prozent. Auf den privaten Endverbraucher könnte das mit einer Strompreiserhöhung um rund sieben Prozent durchschlagen. Muss mehr Strom importiert werden? Nach einem „Monitoringbericht" des Wirtschaftsministeriums sind bis mindestens 2015 keine Knappheiten auf dem deutschen Strommarkt zu erwarten, selbst wenn die Regierung zum Atomausstieg zurückkehren würde. Grund: Es kommen in den nächsten Jahren noch relativ viele konventionelle Kraftwerke und erneuerbare Energiequellen ans Netz. Zwischen 2015 und 2020 müssten dann rein rechnerisch aber acht große Gaskraftwerke gebaut werden.
Hinter ihrer Kritik steckt die Sorge, dass die CSU unter Seehofer und die CDU unter Merkel auf die Stammwählern nicht mehr gradlinig wirkt. Zu viele identitätsstiftende Positionen wurden geräumt. Zuletzt bei der Abschaffung der Wehrpflicht funktionierte das nur deshalb so reibungslos, weil die Kursänderung vom Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg vertreten wurde.
Solche Protagonisten gibt es beim Schwenk in der Atompolitik nicht. Weder Horst Seehofer, noch Markus Söder können ihn auf Grund früherer Äußerungen wirklich glaubhaft verkörpern.
Seehofer spielt die lauter werdende Kritik an der Atomwende als Minderheitenmeinung herab und verweist seinerseits auf die Basis, deren Meinung ihm eindeutig erscheinen will: "Die Basis hat kein Verständnis, wenn da jemand im Bremserhäuschen sitzt.“ Er sei sich "ganz sicher“, dass die Partei ihm folgen und den Umstieg mitmachen werde.
Zu denjenigen, die Seehofers Kurs mittragen, gehört neben Generalsekretär Alexander Dobrindt, Umweltminister Markus Söder auch Justizministerministerin Beate Merk.
Sie versucht zu vermitteln: "Der Schritt, den Merkel gegangen ist, bedeutet keineswegs eine komplette Absage an den bisherigen Kurs in Sachen Atompolitik. Sie hat mit dem Moratorium klar signalisiert, dass die Sicherheit der Kraftwerke komplett auf den Prüfstand gesetzt wird und dass richtungsweisende Entscheidungen vorgenommen werden“, sagte Merk "Welt Online“.
Niederbayerns CSU-Bezirkschef Manfred Weber appelliert dagegen an die Unionsführung, den neuen Atomkurs mit Taten zu untermauern: "Was wir vor der Wahl gesagt haben, müssen wir jetzt auch konsequent umsetzen. Nur so können wir wieder Vertrauen gewinnen. Aus dem Moratorium muss eine Grundsatzentscheidung werden“.
Weber fordert, dass nur die Anlagen am Netz bleiben, die für die Energieversorgung gebraucht werden. "Wir müssen jetzt aber auch die Grünen stellen“, fügt er hinzu.
Grüne Politik kopieren will Seehofer aber nicht, ihm schwebt eine ökonomische Variante vor. "Wir haben die Kompetenzwerte in der Ökologie nicht. Wir müssen das Ökologische konkret umsetzen. In den Städten haben wir viel Bedarf. Der Humus dafür war schon vor Japan da.“
|
Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (28.03.2011)
W
|
Aufrufe: 550
| Rating: 0.0/0 |
|
|