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Schuldenkrise: Merkel und Sarkozy – Zur Euro-Einigung verdammt
Wolfgang Schäuble (CDU) kann sehr höflich sein. Dass er mittags im Elysée-Palast mit Nicolas Sarkozy speisen durfte, war ihm am Abend noch eine Würdigung wert: „Der Präsident der Republik hat sich die Ehre angetan, uns zum Mittagessen einzuladen.“ Schäuble hatte noch einen anderen Grund für seine gute Laune, als er am Freitagabend vor der „Cité de l'Architecture“, dem klobigen Architekturmuseum in Paris, Bilanz zog. Er sei zuversichtlich, dass man schon beim EU-Gipfel nächste Woche zu wichtigen Entscheidungen komme, sagte er.
Dabei sah es seit einiger Zeit so aus, als komme die Euro-Rettung nicht mehr voran. Am vergangenen Sonntag gingen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und die Bundeskanzlerin in Berlin auseinander, ohne dass sie sich auf einen Fahrplan für ihre nächsten Maßnahmen einigen konnten. Wieder einmal bekam man außerhalb Europas den Eindruck, dass die 17 Euro-Staaten es nie schaffen werden, den Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen. Bis Angela Merkel und Sarkozy ihre Eitelkeiten hintanstellten. Sogar ein Plan zur Bankenrettung – in den Grundzügen lange umstritten – nimmt inzwischen Gestalt an.
Ohne Druck von außen aber ging das nicht. Ganz abgesehen von den Investoren an den Finanzmärkten sind es die Amerikaner und die Vertreter der fünf großen Schwellenländer, die Deutschland und Frankreich ins Gebet nahmen. So sehr, dass es Berlin gewaltig nervte.
Begonnen hatte die Drängelei schon lange vor dem Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds im Oktober in Washington. Wiederholt hatte US-Präsident Barack Obama die Europäer aufgefordert, sie sollten ihre Probleme endlich anpacken. Bei jedem Treffen das sich bot, mahnte sein Finanzminister Timothy Geithner in mehr oder weniger rüdem Ton, die Euro-Zone solle endlich ihre Hausaufgaben machen. Bei den Attacken aus den USA konnten sich Merkel und Sarkozy noch wegducken. Obama habe so viele eigene Probleme, dass er mit seinen Vorwürfen nur versuche, von den eigenen Fehlern abzulenken, schimpften die Deutschen verärgert. Doch als bei der IWF-Tagung die Vertreter der Schwellenländer den EU-Politikern den Kopf wuschen, versuchte es Schäuble mit einer anderen Taktik: Es habe gar keine Kritik von dieser Seite gegeben, behauptete der Finanzminister nach dem Treffen einfach. Dabei hatten seine Amtskollegen aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika nur wenige Stunden zuvor deutlich gemacht, wie sehr sie fürchteten, die Europäer könnten mit ihren ungelösten Problemen die Weltkonjunktur ruinieren.
Der Druck war nötig. Denn gerade Deutsche und Franzosen erweckten damals den Eindruck, als könnten sie sich auf den Fahrplan für die nächsten Schritte zur Euro-Rettung nicht einigen. Sarkozy lehnte die von Berlin geforderte Umschuldung Athens ab. Der Grund: Der Franzose weiß, dass Frankreichs Banken je nach Umfang des Schuldenschnitts wackeln werden. Der französische Staat – derzeit noch Inhaber eines Spitzenratings – müsste die Häuser mit Milliarden rekapitalisieren. Und da dieses Geld im Haushalt nicht vorhanden ist, müsste der Präsident es an anderer Stelle einsparen, wenn er das Rating nicht gefährden will. Das würde Sarkozys Chancen bei den Wahlen im kommenden Jahr erheblich verringern.
Merkel wiederum hielt wenig von seinem Ansinnen, den Euro-Rettungsfonds EFSF mit einer Kreditlinie bei der Europäischen Zentralbank zu versehen. Der Fonds hätte dann mit EZB-Geld Staatsanleihen der Schuldensünder aufkaufen können. Der Unterschied zu den in Deutschland ungeliebten gemeinsamen Staatsanleihen – den Euro-Bonds – wäre marginal. Dementsprechend lief Bundesbankpräsident Jens Weidmann dagegen Sturm. „Monetäre Staatsfinanzierung“ sei das. Und die ist gesetzlich verboten. Der Staat hatte in der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 einen Bankenrettungsfonds mit Kurznamen „Soffin" aufgelegt. Er wurde mit 480 Milliarden Euro ausgestattet, davon 400 Milliarden an Garantien und 80 Milliarden für Kapitalhilfen. Ende 2010 wurde der Soffin geschlossen. Auf dem Höchststand Anfang Oktober 2010 beliefen sich die gewährten Garantien des „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung" (Soffin) auf 174 Milliarden Euro. Bis Ende August 2011 hat sich diese Summe nach Angaben von Haushältern der Koalition auf 29,2 Milliarden Euro reduziert. Darüber hinaus bekamen mehrere Banken, darunter die Commerzbank, Eigenkapitalhilfen von insgesamt 29 Milliarden Euro. Der Soffin wickelt derzeit noch Altfälle wie die Engagements bei Commerzbank, Aareal Bank und der WestLB ab. Bei WestLB und Hypro Real Estate (HRE) wurde riesige Bestände an faulen Wertpapieren in Abwicklungsanstalten („Bad Banks") ausgelagert. Zusätzlich haben auch die Bundesländer ihre Landesbanken mit Hilfe von Eigenkapital und Garantien unterstützt. Ein Großteil der Soffin-Mittel wurde nicht ausgeschöpft. Nach Angaben aus Regierungskreisen wird nicht ausgeschlossen, dass der Soffin bei einer Zuspitzung der aktuellen Krise rasch wiederbelebt werden könnte. Dazu müsste aber der Bundestag zustimmen. Quelle: dpa Lange schien jeder Kompromiss zwischen beiden Ländern versperrt, weil Sarkozy und Merkel ihre Positionen nicht räumten. Inzwischen aber geht man aufeinander zu. Nun ist von einem Plan die Rede, der kommende Woche beim EU-Gipfel präsentiert werden soll. Schäuble und sein französischer Kollege François Baroin erzählen, man habe sich auf die Rekapitalisierung der Banken geeinigt – die Voraussetzung für eine größere Umschuldung Athens stünde also. Auf neun Prozent Kernkapitalquote soll der Risikopuffer der Banken dem Vernehmen nach innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate angehoben werden. Kreditinstitute, die das Geld nicht am Markt bekommen, müssten von den Staaten zwangskapitalisiert werden. Anders aber, als bislang von Frankreich gefordert, soll das Geld dafür offenbar nicht der Rettungsfonds EFSF aufbringen. Paris greift in die eigene Kasse.
Damit rückt für Griechenland ein Schuldenschnitt näher, der über die bislang geplante Summe von 37 Milliarden Euro hinausgeht. Angeblich müssen die Banken auf 40 bis 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Weil aber sowohl der Zeitraum als auch der kalkulatorische Zinssatz für diese Rechnung unbekannt sind, ist unklar, wie viel die Verluste unter dem Strich betragen werden.
Rettungsschirm darf auch künftig nicht die EZB anzapfen
Der größten deutschen Sorge beugte sich Sarkozy: Offenbar darf der Rettungsfonds auch künftig nicht direkt die EZB anzapfen. Stattdessen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass er sein Geld wie eine Versicherung einsetzen soll. Der EFSF würde dann nicht mehr direkt Hilfskredite an schwächelnde Euro-Länder ausreichen. Stattdessen würde er Anleihen, die Schuldenländer am Markt platzieren, gegen einen Teil möglicher Verluste versichern. Der Charme der Idee: Je nach Höhe der Versicherung steigt das Ausleihvolumen des Fonds damit um ein Vielfaches. Staaten wie Griechenland, Portugal und Irland bekämen wieder einen Zugang zum Kapitalmarkt. Allerdings stiegen auch die Risiken, die die Steuerzahler zu tragen hätten.
Sarkozys Nachgiebigkeit hat einen Grund: Ewige Streitereien mit den Deutschen würden die Lage in Europa weiter destabilisieren. Darunter leiden vor allem die Banken westlich des Rheins. Und der Präsident sieht mit Furcht nach Italien. Das Land, obwohl wirtschaftlich ungleich solider aufgestellt als Griechenland, sorgte am Kapitalmarkt für Misstrauen, weil sich die Regierung von Silvio Berlusconi in Feindseligkeiten zerfleischte. Seit Wochen muss die EZB die Kurse italienischer Anleihen stützen, damit das Land nicht zu hohe Zinssätze zahlen muss. Wird Italiens Abwärtsspirale nicht gestoppt, weiß Frankreichs Präsident, was folgt: „Italien ist unser Brandschutz“, heißt es in Paris. Werden dort die Probleme virulent, gerät als Nächstes Frankreich ins Visier der Anleger. Dann wackeln nicht nur die Banken bei unserem Nachbarn.
Das aber kann sich der momentan nicht sonderlich populäre Sarkozy vor der Wahl nicht leisten. Schon deshalb braucht er die Einigung mit der Kanzlerin. Und Merkel, die den Euro zu ihrem Projekt gemacht hat, muss Paris stützen. Denn mit einem ernsthaft bedrohten Frankreich als Partner kann auch sie die Währungsunion nicht mehr retten.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: sorvynosov (15.10.2011)
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